Yulia Shur
Die Dunkelheit kann merkwürdig und fremd sein und Yulia Shur fängt perfekt diese zwei Seiten mit ihrer Fotografie ein. Yulia schoß bereits für i-D Japan, MUSE und Thom Browne! Aber die gebürtige Belarussin mit Sitz in Tokyo, sowie bildende Künstlerin und Art Director, kann mehr als nur Fotos schießen. Sie testet die Grenzen der Fotografie aus, mithilfe von Selbstportraits, Illusionen, unterbewussten Fantasien und “giftiger Schönheit”. Sie kreiert unerschrocken Bilder, die ihrer Vision treu sind und das Ergebnis ist immer dasselbe— ein Kaleidoskop an Gefühlen und Reaktionen. Verwunderlich, abartig, ätherisch— nenne es, wie du es willst! Yulias Arbeit mag nicht jedermanns Geschmack sein, aber ist das nicht jede großartige Kunst?
Bitte, stell dich vor!
Mein Name ist Yulia Shur. Ich bin eine, in Belarus geborene, Fotografin, Art Director und Direktorin [und habe] seit vier Jahren meinen Sitz in Tokyo.
Wann entdecktest du deine Leidenschaft für die Fotografie?
Mit 15 interessierte ich mich für Fotografie. Während alle andere Computerspiele spielten, brachte ich mir Fotografie bei. Ich komme aus einem kleinen Ort, also konnte ich mir keine Karriere als Fotografin vorstellen. Deshalb bearbeitete ich Fotos von verschiedenen Fotografen aus aller Welt bis Anfang 20. Das erste Mal, wo ich aktiv eine Kamera in die Hand nahm, war mit 21, nachdem ich drei Monate in Shanghai verbrachte hatte.
Wie würdest du deinen Fotografie beschreiben?
Ein dunkler, feuchter, sehr klarer Traum. Ich versuche am Rande von Realität und Illusion zu spielen— zwischen etwas Magischem und Schönem, zur selben Zeit auch abscheulich und abstoßend.
Warum hast du dich dazu entschieden eine Karriere in Japan anzustreben?
Ich fühlte mich schon immer zu Asien hingezogen, mit seinen magischen Märchen und schönen Traditionen. Japan hinterließ einen großen Eindruck bei mir: Japanische Mythologie mit zauberhaften Charakteren; Künstler, wie Suehiro Maruo, Toshio Saeki, Araki, Hajime Sorayama, Shintaro Kago und Yamamoto Takato. Es fühlt sich definitiv so an, als hätte sich hier mein drittes Auge geöffnet.
Was bringt dich dazu, das Konzept von Taboos und “Illusionen, giftiger Schönheit, Tod, Angst und unterbewussten Fantasien” in deiner Arbeit zu erkunden?
Ich war schon immer vertraut mit dieser Ästhetik. Als Kind konnte ich mir mehrere Horrorfilme an einem Tag anschauen. Für mich ist dieses Konzept wie ein Tanz an Gefühlen im extremsten Sinne.
Wie gehst du an einer deiner Selbstportraits ran?
Meine Selbstportraits entstehen normalerweise dann, wenn meine Vorstellungskraft schleunigst ein Bild aus dem Kopf bekommen muss. In solchen Momenten benutze ich mich selber als ein Instrument, auf beiden Seite der Kamera. Manchmal sind es nur leuchtende, visuelle Entwürfe meiner Fantasie und manchmal fülle ich sie mit einer Idee, die mir in dem Moment in den Sinn kam.
Deine Selbstportraits verwandeln dich in eine wunderschöne und futuristische Kreatur. Ist das dein wahres Ich?
Das wahre Ich bedarf einer sehr komplexen Definition. Ich sehe mich definitiv in jeder dieser Charaktere wieder. Es ist mehr ein Bild meiner Fantasie, Emotion, Gedanken und Gefühle in dem Moment, indem es entsteht. Und manchmal meiner Dämonen und meiner dunklen Seite. Portraitiert durch mich, ist meine Kunst das Ventil.
Was bedeutet Schönheit für dich?
Es ist sicherlich die Energie, die aus einem kommt. Die Ästhetik meiner Arbeit verdeutlicht eine ungewöhnliche, dunkle und giftige Schönheit, aber das hält mich nicht davon ab, Schönheit in den alltäglichsten Dingen um mich herum zu sehen.
Welche Art von Botschaft oder Gefühl wünscht du dir deinem Publikum zu vermitteln mithilfe deiner Kunst?
Das einzige, was ich von den Personen möchte, die meine Arbeit sich ansehen, ist, dass sie etwas fühlen. Ich möchte, dass Leute Schönheit spüren und sich darin vernarren eine Erleuchtung zu haben, Angst zu spüren oder sogar Ekel zu empfinden.
Was sind einige der Herausforderungen, die du als eine Kreative hast?
Die Spezifität meiner Kunst begrenzt die Anzahl der Personen, die es verstehen. Deshalb habe ich meist in meinen Projekten nicht genug kreativen Freiraum. Speziell in Japan scheint es, als wäre die Industrie noch nicht bereit sich vom kawaii Image loszulösen. Aber ich wähle Qualität vor Quantität.
Mit wem wünscht du dir am meisten eine Kollaboration?
Ich bin unglaublich inspiriert worden von den Special-Make-Up-Künstlern Isamaya Ffrench und Sarak Sitkin. Und Musikern, wie Bjork, Arca, FKA twigs, Grimes, Kelsey Lu. Drag Queen Hungry und Duett Fecal Matter sind ebenfalls besondere Künstler und ich hoffe, dass ich mit ihnen in der Zukunft arbeiten kann.
Du arbeitest auch für das NYLON Magazin. Kannst du uns etwas darüber erzählen?
Sie sind ein junges und kreatives Team. Wir haben bereits viele interessante Fotoshootings zusammen gehabt und sie haben keine Angst vor meinen grellen Farben und dunkler Ästhetik. Ich habe vor kurzem Babymetal für das Cover fotografiert und vier Ausgaben von visuellen Geschichten über Sex und Liebe in ihrem Online-Projekt Lip Service erstellt.
Was sind deinen zukünftigen Ziele und Träume?
Es gibt eine Menge Künstler und Musiker mit denen ich gerne arbeiten würde in der Zukunft. Und mein großer Traum ist es eine Galerie zu eröffnen und neue, experimentelle Künstler und Performer zu zeigen. Ich habe das Gefühl, dass es nicht genug Plattformen und Räume gibt für die Realisierung von verrückten Ideen.
Vorstellung und Fragen von Vania, übersetzt von Melek.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Yulia Shur.