Shojonotomo
Diese Ausgabe schließt mit ShojonoTomo ab – einer angesehenen Künstlerin, deren Werke darauf abzielen, die Schwierigkeiten Japans anzusprechen. Sie stehen dem Thema Zuneigung kritisch gegenüber und überkommen emotionale Traumata. Ihr fragt euch jetzt, was das mit Neo Trad zu tun hat? Die Künstlerin entscheidet sich zurückzublicken, um nach vorne zu sehen. Für sie liegt die Antwort auf Probleme der heutigen Zeit in traditionellen Festen wie Bon Odori und in unseren Kindheitserinnerungen. Mit einer Gruppe von Performern, die alle farbenfrohe Yukatas tragen, empfindet sie dieser festlichen Atmosphäre nach. Das Gefühl das sie kreiert, ist eines von Vitalität und Euphorie. Die Bedeutung hinter ihrer Entscheidung, Yukatas zu verwenden, gibt ihrer Arbeit noch mehr Tiefe – eine Tiefe, bei der wir hoffen, dass sie zum Nachdenken anregt – über traditionelle Kleidung, ihrer Bedeutung und einen größeren Zweck, als einfach nur Kleidung zu sein.
Bei deinem neusten Projekt YUKATA&MATSURI geht es darum, den ursprünglichen Sinn hinter Bon Odori – Sexualität in der japanischen Gesellschaft – wiederzubeleben. Wie kann man ein modernes Problem lösen, indem man auf das Traditionelle blickt? Warum ist das effektiver, als aufs „jetzt“ zu gucken?
Lass mich als erstes ein kleines Missverständnis klären. Das Bon Festival war ursprünglich ein Dienst für die Toten. Ich fokussiere mich aber nicht darauf, sondern viel eher auf die Tatsache, dass es ein Ort war, wo Männer und Frauen sich treffen konnten – ein Ort, der wie ein Katalysator für Liebe war – und auf die Yukata, die damals getragen wurden. Ich hörte, dass eine steigende Anzahl an jungen Leuten denkt, dass Japaner heutzutage „angst hätten verletzt zu werden“ und das es einfacher sei, gar keine Beziehungen zu führen. Diese Leute möchte ich an ihre Libido zurückerinnern, indem ich moderne Festivals organisiere und Yukata mache. Laut ihnen würde den selben Tanz in einer großen Gruppe zu performen Endorphine auslösen, die dann in Euphorie umgewandelt werden. Und außerdem teilen Japaner den Gedanken, nicht vor anderen alleine tanzen zu wollen, um sich nicht zu blamieren. Deswegen dachte ich, sie würden es leichter finden am Bon Tanz teilzunehmen – einem traditionellen Event mit einer festgelegten Routine.
Denkst du dieser Mangel an Zuneigung wird zu einer Art „Krise“ führen?
Der Mangel an Zuneigung in Beziehungen zwischen Mann und Frau werden im Projekt YUKATA&MATSURI behandelt, was eines der Projekte ist, dass dazu genutzt wird SKINSHIP BURNY auszudrücken – ein von mir kreiertes Konzept. Ich nutze das Wort SKINSHIP um auf Kommunikation hinzuweisen und um Verbundenheit zwischen Eltern und Kind greifbar zu machen, damit Zuneigung wieder beteuert wird. Der Mangel dessen führt zu gefährlichen Nebeneffekten, was ich als klaffende Wunde ansehe. In fachbezogener Terminologie wird das als „Adult Children“ (oder „AC“) bezeichnet. AC bezeichnet ein Phänomen, indem eine Person an einem emotionalen Trauma leidet (auch als Erwachsener), weil sie in einem dysfunktionalen Zuhause aufgewachsen ist. In den letzten Jahren wurden immer mehr Vorfälle angesprochen, in denen sich jemand von seinen Eltern nicht geliebt fühlt, oder jemand die Art der Zuneigung die er sucht nicht erhält. Dabei geht es auch darum, für Familienprobleme verantwortlich gemacht zu werden und mit Problemen zu kämpfen, die einem das Leben erschweren. Außerdem existiert eine ansteigende Chance, dass Mobbing, Selbstmorde, Jugendarbeitslosigkeit und der Geburtenrückgang damit in Zusammenhang stehen. Deswegen versuchen wir heutzutage diese Dinge zu verstehen und zu behandeln. Ein Mangel an Zuneigung führt zu einem Mangel an Zuneigung. Ich finde es unerlässlich wichtig, diese Verbindung von Anfang an zu verstehen.
Woran denkst du liegt es, dass eine beträchtliche Anzahl an Japanern sich so verhält, wie du beschrieben hast – ohne Zuneigung zeigen zu können?
Wie ich schon davor gesagt habe, glaube ich, dass ACs sehr einfach erschaffen werden können. Oder um genauer zu sein, heutzutage hat man die Möglichkeit nachzuvollziehen, tatsächlich ein AC zu sein. Dysfunktionale Familien und Ähnliches sind jahrealte Probleme. Das ist jetzt nur meine Meinung, was heißt, dass es keine Beweise gibt die das unterstützen, allerdings hatten Leute vor noch einigen Jahrzehnten keine Zeit gehabt, ihre persönlichen Schwächen zu hinterfragen, da jeder mit den gleichen Sorgen und Feinden (Kriege, Armut und so weiter) zu kämpfen hatte. Die Mehrheit der japanischen Bevölkerung glaubte an die Werte der Samurai und daran, das Idealbild der japanischen Frau zu bewahren. Und deswegen scheint es so gewesen zu sein, dass die Bevölkerung diese Werte verinnerlicht hatte und sich nicht mit ihren eigenen Verletzlichkeiten auseinandersetzte.
In unserer vielschichtigen Gesellschaft, auf der anderen Seite, gibt es Gedankenfreiheit – wir können ohne Gemeinschaften und Mithilfe existieren und sogar unser öffentliches Bild mit SNS, Emojis und Sticker aufrechterhalten. Es gibt so viele Kommunikationsarten die helfen Mauern zwischen einem selbst und anderen zu errichten. Es existiert außerdem auch ein Kommunikationsdefizit aufgrund von Eltern, die schwere Zeiten durchgemacht haben. Sie werden zu Helikoptereltern, damit ihre Kinder nicht den selben Horror durchleben, den sie durchlebt haben und arbeiten außerhalb von Zuhause, statt innerhalb (auch während Zeiten des Konjunkturrückgangs). Diese Kommunikationsdefizite können auch ein Grund für das Problem sein, Zuneigung zeigen zu können.
Während deiner Performance für YUKATA&MATSURI trägst du einen Yukata mit deinen Illustrationen darauf. In deinem Interview für ON-1 sagtest du: „Leute, die Yukatas und Kimonos lieben, werden meine Werke vielleicht nicht leiden können, da sie auf eine bestimmte „Weise“ präsentiert werden sollten. Allerdings habe ich als Künstlerin eine bestimmte Botschaft, die ich rüberbringen möchte und dafür werde ich ab und zu Kulturgüter nutzen.“ Auf welche Weise ist die Art, wie du Yukatas und Kimonos nutzt, unkonventionell?
Meine Yukatas wurden nie kritisiert, aber ich habe eine ältere Frau über einige meiner Kimonos, die ich für eine Designausstellung namens Kimono Fusion in Schweden zwischen 2009 und 2011, sagen gehört, dass „ShojonoTomos Werke zum Nachdenken anregen, aber die Traditionen nicht wertschätzen“. Sie war eine große Liebhaberin japanischer Kimonos, doch das bedeutete nicht, dass sie meine Arbeit zurückwies. Die Organisatoren der Ausstellung bestanden darauf, dass ich „Stücke aus antiken Kimonos erschaffe.“
Als Antwort auf diesen Rat, interpretierte ich das Kinderfestival Shichi-Go-San – das schon lange in Japan gefeiert wird – auf meine Weise mit gegenwärtiger Kunst. Ich nähte aufgeblasene Puppe und Schwimmringe auf Shichi-Go-San Kimonos, weswegen es für mich keine Überraschung war, dass es für einige so scheint, als würde ich die Traditionen nicht wertschätzen.
Vor langer Zeit wurden Kinder unter sieben Jahren nicht als Menschen angesehen – sie wurden für „Kinder der Götter“ gehalten. Ich entschied mich dazu, aufgeblasene Puppen auf Kimonos anzunähen, um genau das wiederzugeben. Leider scheint es so, als würde es keinen Weg geben, um mein Konzept richtig kommunizieren zu können. Allerdings war die Botschaft, die ich mitteilen wollte, tief in Folklore verankert – also habe ich doch ein wenig Tradition damit übermitteln können.
Wie oben erklärt, gibt es in Japan Wege um Traditionen weiterzugeben, ohne diese verändern zu müssen. Allerdings gab es menschliche und kulturelle Veränderungen aufgrund des sozialen Umfeldes und den schädlichen Nebeneffekten, die aufgekommen sind. Ich bin eine Künstlerin, die diese Veränderungen weitergibt und durch das SKINSHIP BURNY Konzept verteufelt. Mit Yukata kreiere ich Bilder, die die Gegenwart und die Zukunft verspotten und nicht die klassischen Muster, die sich durch Japans einzigartige Traditionen und Talismane entwickelt haben.
Du sagtest, du willst verständlich machen, dass du eine Künstlerin und keine Modedesignerin bist. Viele sehen Mode als „tragbare Kunst“ an – warum ist es wichtig für dich, einen Unterschied zwischen beidem zu machen?
Ich bin eine Künstlerin moderner Kunst, doch ich mache auch manchmal Kommissionen. Wenn ich ein Stück nach den Angaben und den Interessen eines Kunden kreiere, dann halte ich mich selbst für eine „Designerin“. Folglich ist das YUKATA&MATSURI Projekt das Werk einer Künstlerin, nicht eines Designers. Als ich T-Shirts herstellte, habe ich das Wort „tragbare Kunst“ genutzt, aber ich finde das es der Job eines Designers ist, etwas mit dem Kunden im Kopf zu konstruieren. Keines von beidem ist besser oder schlechter.
Noch ein paar Worte zum Schluss?
2004 habe ich mir den Ausdruck SKINSHIP BURNY ausgedacht. Es ist eine wirklich verrückte Geschichte. Und mein merkwürdiger Pseudonym – ShojonoTomo – ist genauso verrückt. „ShojonoTomo“ ist das Mädchen in mir – mein inneres Kind. Doch nach einigen Jahren musste ich feststellen, dass mein Kopf die Stimme meines inneren Kindes in den Tiefen meines Magens angenommen hatte und SKINSHIP BURNZ und ShojonoTomo erschaffen hatte. War das ein Zeichen? Ein kleiner Schrei nach Aufmerksamkeit? Leider war mir der Schleier, der sich über mein Herz gelegt hat, sowie diese intuitive kleine Stimme, nicht bewusst gewesen. Von jetzt an werde ich dieses Bauchgefühl nicht mehr ignorieren und versuchen, in meinem Leben den Dingen nachzugehen, die meine Seele erschüttern.
Leider musste ich eine Ausstellung im Mai 2018 aufgrund von Krankheit verschieben. Mein nächstes Ziel ist es, diese Ausstellung wieder in Gang zu bringen. Dann werde ich einige Stücke Inlands und im Ausland vorführen. Wünscht mir Glück!
SKINSHIP BURNY: Liebe mich bis du brennst. Wir schreiben das Jahr 20XX! Die Menschheit hat gerade El Niño überstanden, doch es gibt ein neues Problem: Das Gletscherphänomen. Kinder können Isolation nicht aushalten. Und als Reaktion auf diese Einsamkeit, haben sie ihre Körpertemperaturen bis zum Punkt des Erfrierens verringert. Diejenigen, die sich wehren, brüten im Gegenzug ein abnormales Fieber aus. Unfähig Liebe zu finden, verglühen sie unter hohen Temperaturen. Genannt wird das LOVE SICK: El Niño der Menschheit. Der Slogan dieser Kinder? „Liebe mich bis du brennst“. Ungeachtet des Risikos aufgrund ihres Fiebers zu verbrennen, verlangt deine Liebe verlangt von dir sie fest zu umschließen. Sie warten auf deine Liebe.