Melancholiaah!
Den Künstler, den wir diesen Monat vorstellen ist Melancholiaah! Ihr Performancekunststil (?) ist einzigartig und ihre Stimme ist in einigen Rhythmusspielen in Arcades in Akihabara zu hören. Aber hinter ihrer energiereichen Performance steckt noch mehr – jede einzelne beinhaltet eine Aussage und stellt ein spannendes, enges Verhältnis zwischen ihr und ihren Zuschauern her. Jede Live Performance ist eine Chance, durch Musik und Kunst, eine Geschichte zu erzählen. Lasst uns diese großartige Künstlerin kennenlernen!
Was machst du? Wer/Was ist Melancholiaah?
Ich bin Sängerin und ein merkwürdiger Hybrid aus Performancekunst und Storytelling. Viele Menschen verwechseln mich mit einer „Idol“ Performerin, aber ich halte mich nicht annähernd für etwas wie ein „Idol“ und ich möchte auch nicht unbedingt eins sein. Um etwas Hintergrundwissen zu geben: Ich performe schon seit ich 10 Jahre alt bin, was mittlerweile mehr als ein Jahrzehnt ist. Damals in 2008 ging ein Video von mir viral und auch wenn es auf positive Resonanz stieß, zog es auch Negatives mit sich, über das ich bis vor Kurzem nicht wirklich offen reden konnte. Es ging um sexuelle Belästigung, Stalking und vollständige Ausbeutung und Diebstahl meiner Kindheit, was zu fast 8 Jahren voller Selbstverletzung, Depression und Angstzuständen führte, die unbehandelt blieben.
Als ich das vergangene Jahr das erste Mal darüber sprach, war es ein Schock für Leute, die mir schon seit langer Zeit folgten. Zu singen liebte ich noch immer, aber es hatte nichts mit dem zu tun wer ich wirklich war, weswegen weiterzumachen schwierig war, da ich noch immer sehr an meinem Kindheitstrauma festhielt. Ich fühlte mich eher so, als würde ich performen da ich es müsste, aber natürlich war es mehr wie ein interner Konflikt, da es mir niemand wirklich vorgeschrieben hat. Ein langjähriger Freund von mir und Musiker namens Akira Complex bot mir seine Hilfe an, indem er fragte, ob ich mit meiner Stimme für sein erscheinendes Album aushelfe und ich stimmte zu. Ich dachte mir ein Alias aus, mit dem ich in den Credits erwähnt werden würde, aber ich entschied mich, dass ich mehr daraus machen wollte. Seit ich 2016 Melancholiaah ins Leben gerufen hatte, entschied ich mich während des Größerwerdens der #metoo Bewegung dazu, mehr zu tun und diese Plattform dafür zu nutzen, über das was mir passiert ist zu reden, sodass andere sich hineinversetzen können und sich nicht alleine fühlen. Melancholiaah ist für mich ein Projekt mit therapeutischer Wirkung, denn es ist nicht wirklich ein Projekt, dass ich erschaffe, um es anderen Leuten zu präsentieren, sondern um mich endlich selbst und meine Rückschläge durch radikale Performances und Ästhetiken zu akzeptieren und anderen diese Selbstakzeptanz auch spüren zu lassen. Ich hatte schon immer Probleme damit verletzlich zu sein, aber wenn ich unter dem Namen Melancholiaah auftrete, fühlt es sich an als dürfte ich es sein und jeder der mir zusieht wird verstehen, dass verletzlich zu sein durchaus okay ist.
Was ist deine Verbindung zur japanischen Kultur? Wie hast du sie entdeckt?
Wie viele andere in diesem Alter schaute ich Sailor Moon in meiner Kindheit. Meine gesamte Familie fand Gefallen daran, anstelle dass nur ich das komische Kind war. Als ich ungefähr 3 Jahre alt war, begann ich mit Cosplay und trat 2004 auf meiner ersten Convention auf. Zu dieser Zeit stand ich auch sehr auf japanische Musik und habe seitdem viel meiner Zeit dafür gewidmet, neue Künstler zu entdecken. Viele Leute denken, dass J-Music mit Visual Kei oder J-Pop aufhört, doch es gibt so viele weitere Genres da draußen, die die ganze Zeit neue Sounds kreieren. Die Shoegaze und Math Rock Szenen gehören zu meinen Favoriten und scheinen allmählich auch mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, was ich super finde. Ich cosplaye nicht mehr so viel, deswegen würde ich sagen, dass meine Verbindung zur japanischen Kultur durch die Musik besteht.
Woher nimmst du deine Inspirationen?
Es gibt einige Musiker von denen ich mich hier und da mal inspirieren lasse. Shinsei Kamattechan, Maison Book Girl, Kindan no Tasuketsu, Nichoume no Sakigake Coming Out, DIMLIM, Arakajimekimeraretakoibitotachihe und sogar nicht-japanische Musiker wie Baths, SOPHIE und Björk haben mich auf die ein oder andere Weiße kreativ geformt. Selbstverständlich finde ich in jedem Musiker, den ich regelmäßig höre, Inspirationen. Abseits von Musik nehme ich mir viele Inspirationen aus unseren Queer Communities und ich nutze auch eigene Erfahrungen als große Inspirationen für die Weise wie ich performe, welchen Inhalt ich hervorbringe und wie ich schauspielere. Auch wenn ich viele verschiedene Inspirationsquellen habe, sind es meine eigenen Erfahrungen die mich am meisten formen und ich würde es auch nicht anders wollen. Die Dinge fühlen sich auf diese Weise authentischer und auffrischender für mich an.
Wie laufen Musik und Mode bei dir zusammen?
Die Musik die ich mag ist für manche sehr schmutzig, laut und unangenehm, aber ich fühle mich durch sie komplett verstanden. Ich möchte, dass meine Mode beim Performen genau das wiederspiegelt. Ich mag es bei meiner Lieblingsfarbe zu bleiben, welche Grün ist, aber bei Farbtönen von denen den Leuten schlecht wird. Kotzgrün trage ich am liebsten, aber wenn das nicht geht, stelle ich sicher, dass mein Make-up wiedergibt wie ich mich fühle. Ich mag es unangenehm auszusehen, aber dennoch eine friedliche Aura und Freundlichkeit um mich herum zu haben. Gruselig, doch sie könnte auch deine beste Freundin sein. So ein Gefühl.
Was für eine Botschaft möchtest du mit deiner Musik ausdrücken?
Ich glaube, dass viele Leute oft durch schwierige Zeiten gehen und diese für sich behalten und viele Unsicherheiten haben, durch die sie sich nutzlos fühlen. Leute haben angst nach Hilfe zu suchen und über ihre Probleme zu reden. Mit der Zeit wird das immer schlimmer und schlimmer und insgesamt finde ich, dass die Menschen nicht viel von sich halten. Ich fühle mich genauso, aber ich möchte mich ändern. Ich möchte meinen ganzen Schmerz nehmen und ihn in etwas Positives für mich verwandeln. Während des Microphone Checks auf meinen Live Events, erzähle ich eine Geschichte, die auf jedem Event eine andere ist. Die Geschichten betreffen nicht nur mich, sondern auch andere Leute. In meiner letzten Performance zum Beispiel, ging es darum wie ich mit dem Verlust von mir nahestehenden Personen umgehe, Personen die mich wirklich zu dem gemacht haben wer ich heute bin. Am Anfang frage ich mich selbst, ob ich es wert bin und wie ich weiter machen kann, obwohl sie so eine starke Auswirkung auf mich hatten. Die Geschichte setzt sich fort durch Musik und endet damit, dass ich realisiere, dass die Leute die jetzt von mir gegangen sind wollen würden, dass ich stärker bin als je zuvor und dass ich alles wertschätzen sollte, was sie mir gegeben haben, um die Erinnerungen an sie lebendig zu halten. Ich mag es solche Geschichten in meinen Live Performances aufzuführen, Dinge die für mich im Moment von Bedeutung sind, aber wo ich weiß, dass sich jeder darin hineinversetzen kann. Letztendlich möchte ich eine starke Community von Liebe und Akzeptanz erschaffen, denn sobald man eine Person trifft, die man verstehen und mit der man sich verbunden fühlen kann, macht das wirklich einen Unterschied in der Motivation für das eigene Leben.
Was tust du wenn du dich aus einem kreativen Loch rausholen musst?
Normalerweise warte ich einfach. Ich weiß, dass mich irgendwann die Inspiration finden wird, deswegen versuche ich nichts zu erzwingen und wenn ich es doch tue, wird es sich nicht authentisch genug anfühlen und mehr wie etwas sein, dass ich tue einfach damit ich etwas tue. Mittlerweile mag ich Schauspielen mit einem Sinn dahinter. Kreativität ist mir angeboren, weswegen diese ganz natürlich kommt, wenn ich warte. Aber wenn wir schon wieder über Inspirationen reden, ich höre 24/7 Musik, wenn ich also gewisse Genres höre, die mich in unterschiedliche Stimmungen versetzen, dann entfacht das ein kreatives Feuer irgendwo in mir drin.
Wenn du nur einen Tag in Tokyo hättest, wohin würdest du gehen und was würdest du tun?
Das ist so schwierig! In Tokyo gibt es so viele fantastische Orte und so viele, die ich immer wieder zu lieben lerne. Auf meiner letzten Reise besuchte ich Puroland und hatte die beste Zeit meines Lebens. Ich ging zusammen mit meiner Mutter und wir haben uns die ganze Zeit wie kleine Kinder gefühlt. Es war ein wirklich lustiger Tag und ich werde ihn immer wertschätzen. Ich glaube, ich würde meinen Tag in Puroland verbringen, dann nach draußen und die Straße runter in die Arcade Halle gehen, um Spiele zu spielen und dann zu Saizeriya gehen, um Pizza zu essen.
Noch ein paar Worte zum Schluss?
Ich danke euch sehr fürs Lesen, ich weiß es war etwas viel. Ich hoffe ich kann eines Tages jeden von euch auf einer meiner Auftritte sehen. Ich liebe es mit anderen Musikern zu kollaborieren, deswegen hoffe ich mit vielen in Zukunft zusammenzuarbeiten! Bitte habt ein Auge auf mich, ich bin immer am Arbeiten auf die ein oder andere Weise.
@melancholiaah melancholiaah.club