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Meinungsbeitrag: Ist Harajuku tot?

In unserer weltweiten Community gibt es tagtäglich Debatten und Diskussionen über japanische Street Fashion und alles, was dazu gehört. Wir möchten auf The Comm über die Geschehnisse in der Community reden, weswegen es jeden Monat ein Diskussionsthema geben wird, wo ihr eurer Meinung Ausdruck verleihen könnt! Das erste Thema ist eines, dass im letzten Jahr viel Anregung zur Diskussion gefordert hat – und zwar: Ist Harajuku tot? Tatsächlich habe ich eine 10.000 Wörter lange Thesis darüber geschrieben, aber ich spare euch die Mühe und gebe euch eine gekürzte Zusammenfassung – das sind meine Gedanken:

Wie sicher viele von euch wissen, erlangte Harajuku, als Knotenpunkt für Mode, zum ersten Mal in den späten 90ern, mit der Veröffentlichung von Street Fashion Magazinen wie FRUiTS und Magazinen für jüngere Leute wie KERA, CUTiE und Zipper, internationale Aufmerksamkeit. Die bunten frechen und extremen Looks, die auf diesen Seiten präsentiert wurden, wurden unter dem Begriff „Harajuku Fashion“ bekannt und die Menschen versteiften sich auf diese Looks die sowohl als kultig als auch als „einzigartig japanisch“ angesehen wurden.  Wenn man 20 Jahre nach vorne spult, sind diese Looks noch immer der Maßstab nachdem „Wie Harajuku bist du??“, auf einer Skala von Decora bis Gothic Lolita, gemessen wird. Die Wahrheit in dieser Angelegenheit ist aber, so wie mit jeder Mode, Trends ändern sich und die Stile die einst beliebt auf den Straßen der kleinen tokioter Nachbarschaft waren, werden von den heutigen Trendsettern nicht mehr getragen. Natürlich heißt das nicht, dass die Leute aufgehört haben Lolita, Fairy Kei oder Decora zu tragen – Brands werden immer auf Langzeit loyale Fans haben. Aber wenn du einen High School Schüler nach 6%DOKIDOKI oder Spank! fragst, wird er in Verwunderung den Kopf schütteln.

In der letzten Zeit, wo Magazine wie FRUiTS, KERA und Zipper eingestellt wurden, sowie dem falschen Zitat von Shoichi Aoki: „es gibt keine coolen Kids zu fotografieren“, was englischsprachige Artikel dazu anspornte, über den Tod Harajukus zu berichten, gab es selbstverständlicher Weise Panik unter denen, die Harajuku als kultisches Modeparadies idealisieren. Allerdings bedarf dieses Zitat einigem Kontext. Ein Artikel wurde als Quelle genutzt und schließlich von tausenden Anderen falsch zitiert. Er sagte tatsächlich, dass es dem Viertel an Leuten zum fotografieren fehle, aber das liegt nicht an einer Umkehr zur Mainstreammode –  er meinte nur, dass Leute das Viertel einfach nicht mehr so oft besuchten, sondern lieber andere modische Ecken wie Kōenji oder Shimokitazawa, die nicht voll von aggressiven Touristen sind, aufsuchen. Außerdem, mit dem Anstieg von Sozialen Medien, können Leute selbst eine Followerschaft aufbauen, indem sie ihre eigenen Fotos auf Twitter und Instagram hochladen und somit nicht mehr in Harajuku abhängen müssen, in der Hoffnung bemerkt zu werden.

Mittlerweile gibt es ein Gerangel auf der Suche nach dem „nächsten Harajuku Stil“, mit Artikeln die über Menhera, Yumekawaii und Yamikawaii als die „neusten Trends in Harajuku“ berichten. Meine eigenen Gefühle können mit dieser Bildunterschrift auf Instagram von Haruka Kado, einer Studentin am Bunka Fashion College und Mitglied von FANATIC, zusammengefasst werden:

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„Warum gibt es Leute die einen in Schubladen stecken müssen? Harajuku-kei, was-auch-immer-kei… Ich hasse es, dass Street Fashion in solche Kategorien aufgeteilt wird! Was ich noch mehr hasse, sind Leute die Harajuku nicht richtig verstehen und lauthals behaupten zu wissen, was Harajuku ist, auch wenn sie überhaupt keine Ahnung haben! Es ist nicht so, dass ich schon immer in Harajuku gewesen bin. Es ist nicht mal so, dass ich dort für immer sein werde. Ich habe nicht vor diesen Ort zu übernehmen!

Die Realität sieht so aus, dass nach Harajuku immer mehr und mehr Touristen kommen und immer mehr und mehr Jugendliche, die nur Bilder für Soziale Medien schießen. Und alle Firmen pumpen Geld in Harajuku um die Aufmerksamkeit von genau diesen Leuten zu bekommen. Sie produzieren Produkte in Massen, um sie günstig zu verkaufen.

Die Realität sieht so aus, dass die Anzahl an Fast Fashion Händlern, neben einem Boom an einfachen minimalistischen Modegeschäften, zunimmt. Persönlich gesehen finde ich das traurig – aber wenn du genau hinschaust, verstehst du es. Das traurigste ist, wie Leute da zusehen können und denken, dass sei „Harajuku“. Es gibt so viele spaßige und interessante Dinge und so viele coole Menschen und coole Modestile in Harajuku. Und es ist nicht so, als kennte ich alles. Ich lerne auch immer weiter dazu, aber es ist traurig, dass es Menschen gibt die nur so halbherzig bei der Sache sind obwohl sie Mode wirklich lieben. Auch wenn es so viel mehr Spaß macht, die Dinge die man mag zu einem Extremum zu bringen, ist es letztendlich peinlich und uncool sich so hart zu bemühen den Leuten zu gefallen. Vielleicht bin ich voreingenommen… aber das ist es, was ich denke.

Es wäre großartig wenn jeder die Klamotten tragen würde, die er liebt. Die Klamotten, die die eigene, unverwechselbare und originelle Auffassung von Mode repräsentieren. Mit Sozialen Medien können sie ihre Mode mit anderen teilen! Ich denke es wäre großartig, wenn wir alle einzigartig sein könnten. Um das zu schaffen, müssen wir viel sehen, viel fühlen und viele Erfahrungen sammeln. Ich finde, es ist maßgeblich, dass wir dieses Wissen und diese Passion, die wir aus diesen Erfahrungen gewinnen, nutzen! Weil wir Mode LIEBEN!“

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Diese Veränderung in der Mode bedeutet nicht, dass wir unseren Stil ändern müssen, um uns den aktuellen, beliebten Stilen anzupassen. Für die meisten von uns außerhalb Japans, lernten wir japanische Street Fashion durch Harajuku und seine Sub-Styles, die das Viertel bekannt machten, kennen. Sie sind es, die unsere Aufmerksamkeit auf sie zog und wenn ihr bei dieser Mode bleiben möchtet, ist das vollkommen in Ordnung! – und wenn ihr einen neueren Stil tragen möchtet, kein Problem!! In der Mode geht es um Ausdruck, Kreativität und einen Selbst: sie ist eine egoistische Kunst. Letztendlich ist es jedem die eigene Entscheidung.

Also was denkt ihr? Ist Harajuku tot?

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