The COMM

Der Aufstieg von Streetwear in Harajuku

„Was an japanischer Mode anders ist, sind die Leute dahinter. Ein besonderer Respekt für das Vergangene spielt eine große Rolle in der Definition von Trends, Booms und Stilen.“ —Reggie Casual

Photo Credit: menswearstyle.co.uk

Ein Spaziergang durch Harajuku. Höchstwahrscheinlich der aufregendste Ort auf der Welt für alle Modebegeisterten. Hier gibt es jeden einzelnen Still zu sehen, den man sich vorstellen kann. Und man kann sie überall sehen. In Harajuku ist Mode wirklich dafür gemacht, um gesehen zu werden. Vergesst den Laufsteg. Hier könnt ihr die neusten Trends finden. Vergesst Geschichtsbücher. Hier erfahrt ihr alles über japanische Popkultur.

Willkommen in der fesselnden Welt japanischer Streetwear. Sich zu kleiden, kann einem schlichtweg als Hobby vorkommen, aber wir wissen, dass es viel mehr als nur das ist. Wie Jean Cocteau, der berühmte französische Autor einst sagte: „Stil ist ein einfacher Weg komplizierte Dinge auszudrücken.“, Dabei ist zu sagen, dass es immer soziale und politische Gründe geben wird, die bestimmte Trends ankurbeln. Wenn man in Betracht zieht, das japanische Streetwear so schnelllebig ist, heißt das wohl, dass es viel für uns gibt, worin wir eintauchen können!

Wie genau wurde Harajuku für viele zur Modehauptstadt der Welt? The COMM machte sich Notizen von einer der führenden Stimmen in der Streetwear Szene, Reggie Casual, um Japans reiche Modevergangenheit auf den Grund zu gehen.

Bis 1940 waren Kimono und andere traditionelle Kleidung noch immer vorherrschend auf den Straßen Japans. Erst mit der Ankunft amerikanischer Soldaten kam Japan mit westlicher Kleidung durch Platten, Magazine und dem Verkauf von Jeansstoffen in Kontakt. Die Mode in Magazinen und Musik war lässiger als der japanische Gegenpart, was die Aufmerksamkeit junger Leute auf sich zog.

Mitte der 80er kamen Modetrends durch Musikgenres zustande: Hip Hop brachte Baggy Kleidung auf den Tisch, während die Idolkultur zu gewagteren Schnitten inspirierte. Auch wenn er nicht auf Musik zurückzuführen ist, ist der bekannteste japanische Modestil, der ebenfalls aus den 80ern kommt: Kawaii.

Magazine wie „Olive“ gaben pastellfarbene und viktorianische Anregungen, was den Weg für den ikonischen Lolita Modestil bereitete.

 

Credit: Google Arts & Culture

Shibuya wurde zur Hauptbühne für Mode aus Tokyo, als Modeparadiese wie Shibuya 109 und Second Hand Läden an die Oberfläche kamen. Junge Leute hießen die Mode anderer Kulturen mit offenen Armen willkommen, während sie diese gleichzeitig einen japanischen Touch verliehen. Es waren die 80er in denen die quintessentiellen Grundlagen japanischer Streetwear festgelegt wurden. Einige der Einflüsse des Westens die die Normen brachen und Lebensstile veränderten, legte die Grundsteine für das, was folgen würde: die „goldenen Jahre“ von Streetstyle in Japan.

In den 90ern etablierte sich Tokyo als Knotenpunkt für Streetwear. Mode, die wir für als einzigartig japanisch betrachten, entstammte aus dieser Zeit. Shibukaji – „Shibuya Casual“ – verschob den Fokus Modebegeisterter von was man trägt auf wie man etwas durch Koordinierung trägt. Dank den Reiz stilvoller Personen aus Paris wurde auch French Casual schnell zu einem Favorit und brachte das immer-so-beliebte Barrett mit sich. Und doch hatte im Gegenzug Grunge durch die Ästhetik von Kurt Cobain einen Anstieg, was Japans vielseitige Bandbreite an Geschmäckern wiederspiegelte.

1993 fand etwas Bahnbrechendes in den Seitenstraßen Harajukus statt. Benannt nach den wenigen Straßen hinter Harajuku wurde die revolutionäre „Urahara“ Bewegung geboren. Hier importierten Läden Hip Hop und Punk Ästhetik aus dem Westen und ermöglichten den jungen Leuten Mode aus dem Ausland zu entdecken. Nicht nur Vintage Läden florierten auf, sondern auch viele unterschiedliche Brands wie NOWHERE von Jun „Jonio“ Takahashi und Nigo (Tomoaki Nagao bei richtigem Namen) tauchten in den hinteren Straßen Harajukus auf. Die Hälfte von NOWHEREs Laden widmete sich Graphic Shirts unter dem Namen A Bathing Ape, was einen so großen Erfolg hatte, dass es wohl als „Großvater“ Brand der Urahara Bewegung gelten kann. Die Urahara Bewegung wurde durch seine Street-zentrierte Androgynität mit Jeansstoff, Leder und den Massen an uramerikanischem Schmuck bekannt. Reggiei sagt, dass 1996 Urahara „in Stein gemeißelt war, als Verschmelzung verschiedener Lebensstile und Popkultur, was doch einzigartig japanisch war – und vor allem, beständig.“ Als Resultat Uraharas Prominenz in den Trends wurde es zum Vorreiter der japanischen Streetwear, die wir heute kennen.

Im Gegensatz zu den gelassenen Vibes der hinteren Straßen Harajukus, entstanden auf den Hauptstraßen mehr wagemutige Stile. Taucht ein in Kawaii, Lolita, Gothic Lolita und Cyberpunk. Von krassen Neonfarben bis zu niedlichen Pastellfarben, diese visuell aufregenden Bewegungen definierten „die kulturelle Norm“, indem sie lebhafte Farbpalletten vorstellten, die eine starke Botschaft zum Anti-Konformismus verbreiteten. Auch wenn jede der Bewegungen sich in Dingen wie Herkunft und Stil komplett voneinander unterscheidet, teilen diese verschiedenen Modearten gemeinsame Themen wie DIY und Reizüberflutung. Kawaii erlangte Bekanntheit als Japans größter Modeexport. Allerdings führte seine Präsentation im Westen von Leuten wie Gwen Stefanie zu der Annahme, dass japanischer Stil „eindimensional“ sei, wie Reggie es nennt – alles pop, alles niedlich, alles Hello Kitty.

 

Credit: Tokyo Fashion

Das homogene Bild das man von japanischer Mode hatte, war weit von der Wahrheit entfernt. Fakt ist sogar, das Mode in den 1990er auf dem Höhepunkt seiner Vielseitigkeit war. Reggie sagt, dass Japan definierte „was es bedeutete, ein Modevorreiter zu sein“ und „zu experimentieren war vor- und gleichranging zu amerikanischer Kultur“. Im Vergleich wirkte amerikanische Mode öde und fad. Eine später charakteristisch gewordenen Eigenschaft war, dass der Lifestyle einer Person in japanischer Street Fashion genauso wichtig wie ihre Ästhetik war. Wie beispielsweise eine Hochzeit im Skaterstyle.

Mit dem Beginn der 2000er, wurde Street Fashion in Japan durch die Details seiner Träger bekannt – im Gegensatz zum Rest der Welt, wo die Designer noch immer als Hauptkoordinator den Ton angaben. Die Auswahl in den Läden war ein Mix aus Neuware, Second-Hand und Vintage – was die perfekte Grundlage bot, um Klamotten nach eigenen Wünschen anzupassen. Vieles was wir in den 00er sahen, waren eher ausgeklügelte Ideen aus den 1990er oder Kombinationen der genannten Stile.

Ein entscheidender Faktor, der die Richtung von Streetwear in Japan beeinflusste, war der Aufstieg von Supreme, mit seinem Beginn 1998 in Daikanyama. Tatsächlich wurde Japan, mit sechs Stores, bald zum Land mit den meisten Supreme Stores auf der Welt! Alle sechs Stores sind zu ihrem Launch komplett ausverkauft worden Die Beliebtheit von Supreme und die Nachfrage nach Sakter-orientierten Stilen führte zum Erfolg anderer westlicher Brands wie Stussy und HUF.

 

Credit: bape.com

Auf der anderen Seite, ermöglichte der Anstieg sozialer Medien der Welt mit Japans einzigartiger Herangehensweise an Streetwear vertraut zu werden – besonders durch westliche Influencer und Stars, die Interesse an verschiedenen Brands entwickelten, wie beispielsweise Kanye West und A Bathing Ape. Ab 2008 wurde Streetwear dann zwangsweiße Massentauglich gemacht – mit dem Beginn von High-Street Giganten wie GAP, UNIQLO und H&M, die Läden in Shibuya eröffneten. Japanische Streetwear war nun für jeden dank Fast Fashion nicht länger als Teil einer Subkultur zugänglich – es ist noch nie so einfach und verhältnismäßig günstig gewesen im Trend zu sein.

„[Japan] ist für viele die Hauptstadt der Welt für Streetwear“, argumentiert Reggie, nicht nur wegen der schier endlosen Vielfalt an Stilen und Variationen unter den Stilen, sondern auch wegen der Zugänglichkeit zu Brands aus dem Westen. Reggie sagt auch, dass Japan definitiv „auf der Bucket-Liste von jedem sein muss, der an Mode interessiert ist.“ Hier fusionieren östliche und westliche Mode in Harmonie miteinander.

 

Informationen von The Casual: (1), (2), (3).

Verfasst von Kay Knofi
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